Fremdsteuerung vermeiden

Wer hat ein Recht auf Ihre Zeit? Ich behaupte: Nur weil jemand Ihre Telefonnummer anwählt, hat diese Person noch lange kein automatisch eingebautes Anrecht, zu entscheiden, wie viel Zeit Sie diesem Thema widmen. Nur weil jemand eine E-Mail an Ihre E-Mailadresse schickt, hat diese Person noch lange kein automatisches Anrecht, für Sie zu entscheiden, welche Priorität dieses Thema für Sie hat.

Vielleicht denken Sie sich jetzt – so wie Seminarteilnehmer häufig entgegnen – „Moment mal, ich habe aber einen Chef, der schon ein gewisses Recht darauf hat, meine Zeitverwendung zu beeinflussen.“ Natürlich haben Vorgesetzte, Kunden, Lieferanten und andere Personen ein gewisses „Anrecht“ auf unsere Zeit. Die Frage ist nur: Wie sehr lassen wir uns fremdbestimmen?

Sicherlich kennen Sie das Gefühl, am Ende des Tages sehr viel erledigt zu haben, eigentlich so gut wie alles – nur nicht dasjenige, welches man sich für diesen Tag vorgenommen hatte. In den letzten Jahren höre ich von Teilnehmern immer häufiger, dass diese das Gefühl haben, nur noch zu reagieren, statt zu agieren. Man werde gearbeitet, heißt es dann oft. Viele checken morgens Ihre E-Mails, reagieren auf diverse aufgelaufene Themen und kommen aus dieser Reaktionsschleife den ganzen Tag nicht mehr heraus (ob E-Mails wirklich eine sinnvolle erste Aktivität sind ist ein Thema für eine andere Stelle in diesem Buch). Für viele arbeitende Menschen führt dieser Zustand zu einem sehr unbefriedigenden Gefühl.

Was also tun im Spagat zwischen „verfügbar sein“ und „nicht unterbrechen lassen“? Oft können Sie die eigentliche Unterbrechung gar nicht verhindern, weil das Telefon klingelt, jemand in der Tür steht oder sich anderweitig bemerkbar macht. Wie lautet also die Empfehlung?

Die Empfehlung ist relativ simpel, aber im Eifer des Gefechts zugegebenermaßen nicht immer leicht um-zusetzen. Es dreht sich um die bewusste Entscheidung in Bezug auf die eigene Zeitverwendung. Im Moment der unerwarteten Unterbrechung sind Sie ja gerade im Begriff, etwas anderes Sinnvolles zu tun. Dann kommt die Unterbrechung. Sie stehen also vor der Entscheidung: Mache ich mit der eigentlichen Aufgabe weiter oder unterbreche ich diese?

Das Problem ist nur, dass dies in den meisten Fällen keine bewusste Entscheidung ist. Meine Beobachtung hierzu: Die meisten Menschen reagieren einfach reflexartig, lassen die bisherige Aufgabe liegen und kümmern sich um das neue Thema. Dann gibt es eine kleinere Gruppe von Menschen, die es sich – vermutlich aus Selbstschutz – angewöhnt haben, bei allen Unter-brechungen erstmal kategorisch „nein“ zu sagen. Schließlich verschwindet dann ein gewisser Anteil wieder, ohne dass man einen weiteren Aufwand damit hat.

Beide Reaktionsmuster sind verständlich. Meiner Ansicht nach sind aber beide in zu vielen Fällen nicht optimal. Die Empfehlung lautet, in der Unterbrechungssituation das neue Thema so schnell wie möglich im Kern zu erfassen (das kann man auch in Gesprächen steuern, bspw. durch die Frage „was ist der Kern der Problematik?“), einen kleinen gedanklichen Schritt aus der Situation heraus zu machen und sich selbst bewusst eine Frage zu stellen wie: Macht es hier mehr Sinn, an meiner eigentlichen Aufgabe festzuhalten, oder ist es sinnvoller, dieses neue Thema zuerst anzugehen? Oder einfach: Was ist jetzt wirklich wichtiger?

Ja, das ist relativ banal. Aber ich garantiere Ihnen, dass Sie bei konstanter Anwendung dieser Vorgehensweise, die nur ganz wenige Sekunden erfordert, zwei entscheidende Vorteile haben werden: Zum einen haben Sie im Durchschnitt eine deutlich höhere Entscheidungsqualität, weil die Entscheidung nun bewusster getroffen wird. Zum anderen haben Sie stärker das Gefühl, Herr (oder Frau) der eigenen Arbeit zu sein. Dies gilt sogar dann, wenn Sie entscheiden, dass es im jeweiligen Einzelfall schlauer ist, die Aktivität zu wechseln. Schließlich haben Sie selbst entschieden.


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