Kennen Sie das Gas-Prinzip im Zeitmanagement? Wenn Sie mehr schaffen wollen in weniger Zeit, dann geben Sie einfach mehr Gas. Im Ernst: Gas hat die Eigenschaft, sich so weit auszudehnen, wie „Raum da ist“. Was hat dies mit der eigenen Zeitverwendung zu tun? Ist es bei Tätigkeiten nicht ähnlich? Irgendwie schaffen wir die Dinge immer gerade in dem (zeitlichen) „Raum, der da ist“. Vielleicht kennen Sie es: Sie sind an einem bestimmten Tag nur zwei Stunden im Büro. Dann schafft man nicht ganz so viel wie an einem gesamten Arbeitstag. Aber die wichtigsten Dinge schafft man irgendwie in genau dieser Zeit. An einem anderen Tag ist es überraschend ruhig. Es liegt nicht so viel auf dem Tisch. Aber dennoch dehnen sich die Tätigkeiten zeitlich so weit aus, wie Zeit zur Verfügung steht.
Im Rahmen eines größeren Coachingauftrags saß eine Dame bei mir im Einzelcoaching. Sie gehörte schon seit Jahren zu den drei umsatzstärksten Beratern der insgesamt ca. 15-köpfigen Geschäftsstelle. Als sich unsere Wege kreuzten, war sie gerade erst ein paar Monate aus einer Erziehungspause zurück. Sie bemerkte, dass sie vor der beruflichen Auszeit im Schnitt zehn Stunden pro Tag gearbeitet hatte. Um nun Berufliches und Privates unter einen Hut zu bringen, arbeitete sie nun durchschnittlich fünf Stunden pro Tag. Nach ihrem Umsatz gefragt, entgegnete sie, dass sie jetzt relativ konstant bei 90 Prozent des Niveaus vor der Babypause liege. Was lernen wir daraus? Babypausen machen produktiver. Nein, hierbei besteht wohl zumindest kein direkter Kausalzusammenhang. Aber es ist oft so, dass das Arbeitsergebnis mit sinkender Arbeitszeit nur unterproportional sinkt. Entscheidend ist jedenfalls, dass die Dame einige Aspekte ihrer Arbeit anders angeht. Ich habe sie dann gefragt, was sie denn tun würde, wenn sie plötzlich wiederum nur halb so viel Arbeitszeit, also nur zwei bis drei Stunden pro Tag, zur Verfügung hätte. Durch diese Frage angestoßen, haben wir mehrere lohnenswerte Verbesserungsmöglichkeiten gefunden, die des Umsetzens wert waren – auch wenn es nur ein Gedankenspiel war.
Diese Frage möchte ich an Sie weitergeben: Angenommen, Sie wollten oder müssten dieselben Arbeitsergebnisse auf einmal in der halben Zeit erledigen. Was wären Sie dann gezwungen, anders anzugehen als bisher? Im nächsten Schritt stellt sich die Frage: Welche dieser Änderungen sind auch dann sinnvoll, wenn diese Situation voraussichtlich nicht eintreten wird? Die meisten Menschen leiten aus diesen Fragen sehr nützliche und produktivitätssteigernde Strategien ab.
Ein weiterer Tipp im Rahmen des Gas-Prinzips für Tätigkeiten, die nicht besonders wichtig sind, aber dennoch gemacht werden müssen: Setzen Sie vorher bewusst einen sehr begrenzten Rahmen. Angenommen, bei Ihnen ist eine Nachricht eingegangen, der zwar inhaltlich nicht besonders wichtig ist, aber auch nicht unbeantwortet bleiben sollte. Dann setzen Sie vorher den zeitlichen Rahmen und sagen sich bspw. „Ok, ich antworte darauf, aber ich verwende nicht mehr als zehn Minuten hierbei“. Oft ist es hilfreich, sich für die Hälfte der vorgenommenen Zeit einen automatischen Signalton zu setzen. Garantiert dies, dass Sie den vorgenommenen zeitlichen Rahmen einhalten? Nein, aber es erhöht deutlich die Wahrscheinlichkeit, dass es zeitlich nicht ausufert. Selbst wenn Sie den zeitlichen Rahmen über-schreiten, dann merken Sie dies wenigstens und werden bei der nächsten Zeitschätzung ein wenig realistischer.
Manche Menschen nutzen hierzu einen Timer – sei es am Smartphone oder die klassische Eieruhr. Das Ziel ist es dann, für die vorgenommene Dauer nichts anderes zu tun als diese Aufgabe. Danach darf es gerne auch wieder eine andere Tätigkeit sein, sei es die nächste Aufgabe, eine Ablenkung oder eine Pause.
Noch ein Beispiel zum Setzen des Rahmens für weniger wichtige Themen: Nach dem Ende seines (in Summe 12-wöchigen) Schülerpraktikums kontaktierte mich ein Fachoberschüler mit der Bitte, ihm ein Arbeitszeugnis auszustellen. Im Rahmen eines solchen Pflichtpraktikums ist es eher unüblich, über die schulnotenartige Bewertung und einen verbalen Kommentar hinaus ein vollwertiges Arbeitszeugnis auszustellen. Seine Leistung war mittelmäßig. Es hat davor und danach deutlich bessere und auch deutlich schlechtere FOS-Schüler bei uns gegeben. Aus meiner Sicht war dies ein klarer Fall für einen klaren zeitlichen Rahmen. Ja, ich wollte diesem Wunsch nachkommen und ihn unterstützen, hatte aber deutlich wichtigere Themen vor mir. Meine Frage an mich selbst lautete: Wie kann ich ihm helfen und möglichst wenig Aufwand haben? Mein erster Gedanke war: Delegieren! Aber auch mein Office Manager sollte nicht zwei Stunden damit beschäftigt sein. Also sagte ich meinem Office Manager, er soll ein Standardzeugnis aus einer Vorlage mit der Schulnote 2- (Sie wissen schon: volle und nicht vollste Zufriedenheit usw.) schreiben und hierauf maximal 15 Minuten verwenden. Den zeitlichen Rahmen können Sie also durchaus als Führungskraft auch an Ihre Mitarbeiter kommunizieren.