Wie Sie die Unterbrechungszahl halbieren

Für die meisten Menschen sind eintreffende E-Mails die häufigste Quelle einer Unterbrechung. Das ist insofern eine gute Nachricht als dass wir dies relativ leicht verbessern können.

Meine Empfehlung lautet: Denken Sie mal darüber nach, mit welcher Antwortdauer Ihre Geschäftspartner rechnen können sollten. Daraus leiten Sie dann ab, wie oft am Tag es Sinn macht, die eingetroffenen E-Mails zu bearbeiten. Angenommen, Sie kommen zum Ergebnis, dass ein halber Arbeitstag eine vernünftige Antwortdauer ist, dann müsste es doch reichen, wenn Sie zwei bis vier Mal am Tag Ihre E-Mails bearbeiten. Vielleicht erscheint aber auch ein circa stündlicher Turnus sinnvoller.

Resultiert wirklich oft ein entscheidender Nachteil daraus, wenn Sie nicht innerhalb von einer Stunde, sondern erst innerhalb von zwei Stunden antworten? Ich behaupte, dass es ohnehin Situationen gibt, in denen Sie nicht so schnell reagieren können, zum Beispiel, wenn Sie im Meeting sind, im Flieger oder gar im Urlaub. Das bedeutet, dass der Anspruch, immer sehr kurzfristig zu reagieren ohnehin nicht immer realisierbar ist.

Der geringste Nenner, auf den ich mich so gut wie immer mit Seminarteilnehmern verständigen kann, lautet: Immer die Aufgabe oder einen nennenswerten Teilschritt abschließen, bevor man wieder ins Postfach schaut. Schon dies ist meistens ein entscheidender Schritt nach vorne.

In meiner Beobachtung vieler Personen und Organisationen stelle ich fest, dass – Vorsicht, leicht provokativ – die Erwartung an eine sehr schnelle Reaktion auf E-Mails ein teilweise selbstgezüchtetes Problem ist. Wie komme ich zu dieser Aussage? Stellen Sie sich mal vor, ein Kunde erwartet eine Antwort innerhalb von vier Stunden. Sie wollen verständlicherweise die Erwartung übertreffen und antworten daher schon innerhalb von zwei Stunden. Der Kunde freut sich. Das ist gut. Der Kunde gewöhnt sich hieran. Seine Erwartung steigt. Sein vorausschauendes Kommunizieren mit Ihnen wird schlechter. Er weiß schließlich, dass Sie immer schnell reagieren. Seine gestiegenen Erwartungen versuchen Sie wiederum zu übertreffen. Es wird immer schlimmer. Dieses Beispiel könnte ich bis ins Absurde fortsetzen.

In vielen Unternehmen hat es bereits extreme (wie ich finde: absurde) Züge angenommen. Ich kenne mehrere Unternehmen, in denen die Mehrzahl der Mitarbeiter es kaum aushält, mal 15 Minuten nicht auf ihr Smartphone zu schauen. Ob das so smart ist, wage ich stark zu bezweifeln. Ich persönlich halte es für den Sieg der Technik über die Vernunft und nicht für einen souveränen Umgang mit der Technik. Dies ist übrigens auch ein wenig branchenspezifisch und auch eine Sache der Unternehmenskultur. Neulich habe ich eine Aussage eines Partners einer großen Kanzlei mitbekommen: Dieser impft seinen neuen Mitarbeitern ein, dass diese sich gleich von Anfang an daran gewöhnen sollten, dass man bis ca. 18 Uhr ohnehin nur mit dem Beantworten von E-Mails und Telefonaten beschäftigt sei und erst danach zu seiner eigentlichen Arbeit komme. Wohlgemerkt, ich kritisiere hier nicht die Gesamtarbeitszeit, die dort im Schnitt bis 22/23 Uhr geht (das ist ein völlig separates Thema), sondern die Prioritätendefinition tagsüber. Es gibt intelligentere Lösungen als den Zustand, in dem hochbezahlte Fachkräfte den ganzen Tag über auf irgendetwas reagieren.

Doch wie bekommt man es umgesetzt, nur vier oder nur zehn Male oder erst nach Abschluss einer Aufgabe wieder ins Postfach zu schauen? Indem Sie jegliche Hinweise auf eintreffende E-Mails deaktivieren! In Outlook geht dies unter: Datei, Optionen, E-Mail. Dort nehmen Sie im Bereich „Nachrichteneingang“ alle Haken heraus.

Wenn Sie Hinweise auf neue Nachrichten nicht deaktivieren, wird die Umsetzung schwer. Angenommen Sie sind auf eine Aufgabe konzentriert, beispielsweise ein geschäftliches Telefonat: Während des Gesprächs trifft eine neue E-Mail ein. Das nehmen Sie wahr, möglicherweise durch Sound, Briefumschlagsymbol und für Outlooknutzer die Desktopbenachrichtigung, die ein wenig wirkt, als ob sie atmet.

Letztlich ist es einfach: So gut wie jede Person, die das Deaktivieren von Nachrichtenhinweisen ausprobiert, zieht ein positives Fazit – das heißt, dass die Vorteile die Nachteile deutlich überwiegen.

Zudem möchte davor „warnen“, morgens als Erstes die E-Mails auch nur anzuschauen. Auch wenn dies für den überwiegenden Teil der arbeitenden Menschheit eine Gewohnheit ist, möchte ich mit diesem Verhaltensmuster brechen, weil man aus dieser Reaktionsschleife oft den ganzen Tag nicht mehr herauskommt. Dies ist meistens weder förderlich für die Produktivität noch für das eigene Empfinden, das Heft selbst in der Hand zu haben.

Im Ergebnis geht es darum, dass Sie eine sinnvolle Häufigkeit für die E-Mailbearbeitung für sich selbst definieren und sich hierbei vor zwei Dingen hüten:

1) Vorschnell zu urteilen, dass „der Bereich, in dem ich arbeite, anders ist“ und Sie keine andere Wahl haben, als E-Mails sofort zu beantworten. Dies kann der Fall sein, ist aber tatsächlich viel seltener als die Überzeugung hierzu.

2) Aus reiner Neugierde permanent in die E-Mails zu schauen, nur weil das Vorschaufenster aufgeht oder ein ungeöffneter Briefumschlag sichtbar wird oder ein Signalton zu hören ist. Vielleicht sind Sie der Meinung, dass Neugierde Ihrer Produktivität nicht abträglich ist. Dies ist möglich, aber eher die Ausnahme. Ein Beispiel: Wir hatten vor einigen Jahren einen neuen und noch nicht fertigen Bereich unserer Website schon veröffentlicht und haben diese offene Baustelle „nicht klicken“ genannt. Was glauben Sie, welcher Bereich derjenige mit der höchsten Klickrate war? Bevor Sie jetzt möglicherweise auf unsere Website gehen, um nachzuschauen was sich dahinter verbirgt: Sparen Sie sich die Zeit. Es ist keine gut investierte Zeit, weil diese Aktivität keine für Sie wichtigen Ergebnisse produzieren würde, weil es diese Rubrik nicht mehr gibt.

Abschließend zum Thema E-Mails sei noch angemerkt, dass sich die Empfehlung des Deaktivierens von eintreffenden Nachrichten nicht auf den „großen“ Bildschirm und E-Mails beschränkt. Auch in Bezug auf jegliche anderen Nachrichten und andere Geräte empfehle ich dies – allen voran natürlich am Handy


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