Von der „Meetingitis“ zur Meeting-Effizienz

„Meetingitis“ ist natürlich ein erfundenes und bewusst provokatives Wort. Wie viel Zeit verbringen Sie pro Woche in Meetings? Wenn Sie im Schnitt nur eine oder zwei Stunden wöchentlich in Meetings verbringen, ist dieser Teil vermutlich nicht der Wichtigste für Sie. Aber wenn ich Teilnehmer in meinen Seminaren frage, dann antworten viele Führungskräfte und teilweise auch Fachverantwortliche, dass sie zwischen 20 und 50 Prozent ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen.

Im Streben nach einer höheren persönlichen Produktivität formuliert selten jemand das Vorhaben, zukünftig mehr Zeit in Meetings verbringen zu wollen. Ob Sie schon aus dieser Feststellung eine Veränderung Ihres Zeiteinsatzes ableiten wollen, bleibt Ihnen überlassen. Ich gebe Ihnen – primär der Anekdote wegen, aber auch als kleine Warnung – ein Beispiel: Ein Kunde von mir ist der Personalleiter eines Unternehmens mit einer vierstelligen Mitarbeiteranzahl. Da er ohnehin nie am Arbeitsplatz erreichbar ist, verteilt er seit Jahren überall seine Handynummer. „Man muss heutzutage ja schließlich erreichbar sein“. Er ist von morgens acht Uhr bis in die Abendstunden nahezu durchgängig in Meetings. Die meiste Zeit verbringt er aber in den Meetings damit, an sein (auf Vibrationsalarm eingestelltes) Handy zu gehen – natürlich im Flüsterton, um sich eine Minute aus dem Meeting zu entfernen und der Person zu sagen, dass er gerade im Meeting sitzt und es gerade nicht passt. Übrigens war er auch mal in einem Seminar von mir. Er kam als Letzter eine halbe Stunde zu spät, setze seine Anwesenheit in der Manier „löchriger als ein Schweizer Käse“ fort und musste kurz nach der Mittagspause in ein Adhoc-Meeting. Er kam nicht mehr wieder. Ich war sehr überrascht, als ich einige Tage später von einem Kollegen von ihm den Hinweis bekam, dass er in höchsten Tönen von meinem Seminar geschwärmt hat.

Nun erhalten Sie sechs Tipps zur Meetingeffizienz:

1) Fordern Sie im Vorfeld eine Agenda an. Wenn ich zu einem Meeting eingeladen werde, antworte ich oft mit: „Vielen Dank für die Einladung. Könnten Sie mir bitte die Agenda rüberschicken, damit ich mich vorbereiten kann?“ Diesen Hinweis bringe ich zum einen, weil ich mich tatsächlich vorbereiten will, und zum anderen, weil ich sicherstellen will, dass sich der Einladende Gedanken zu den zu behandelnden Punkten gemacht hat.

2) Prüfen Sie im Vorfeld, ob Sie zu allen Agendapunkten benötigt werden. In den meisten Organisationen und Abteilungen gibt es die unausgesprochene Regel, dass alle Teilnehmer von Anfang bis Ende anwesend sein müssen. Wer sagt denn, dass es immer so sein muss? Ich bin fest überzeugt, dass sich in fast allen Organisationen die Gesamtzeit, die Mitarbeiter in Meetings verbringen, völlig ohne Nachteile um mindestens zehn Prozent reduzieren lässt, indem die Reihenfolge der zu besprechenden Punkte leicht umgestellt wird und immer nur diejenigen anwesend sein müssen, die wirklich etwas beitragen können. Auch wenn der Einzelne in der Regel nicht die gesamte Meetingkultur einer Organi-sation verändern wird, so kann man doch durch diese Empfehlung einen Teil der eigenen Meetinganwesenheiten reduzieren.

3) Kennen Sie Gruppen, die dazu neigen, aus jeder Mücke (zeitlich gesehen) einen Elefanten zu machen? Oft sind dies auch Gruppen, die bestimmte, fast schon dogmatische Verhaltens-weisen haben. Hiermit meine ich, dass dies oft Gruppen sind, die um Punkt Zwölf Uhr zum Mittagessen gehen oder um Punkt 16:30 Uhr in den Feierabend. Angenommen, Sie haben ein paar Themen, die in 30 Minuten abzuarbeiten sein sollten. Der größte Fehler, den Sie mit solchen Gruppen in diesem Zusammenhang machen können, ist, das Meeting auf 11 Uhr anzusetzen. Warum? Es dehnt sich garantiert genau bis 12 Uhr aus. Wenn Sie Pech haben, dann passiert Ihnen dies sogar, wenn Sie den Beginn auf 10:30 Uhr setzen. Die Empfehlung ist simpel: Starten Sie das Meeting um 11:30 Uhr. Es ist erstaunlich, wie viel effizienter einige Menschen gegen 11:50 anfangen zu kommunizieren, nur weil der Magen knurrt. Auch gegen 16:15 Uhr wird es effizienter, wenn um 16:32 Uhr der nächste Bus fährt – und der nächste Bus danach erst volle zehn Minuten später fährt.
4) Probieren Sie mal Meetings im Stehen aus. Diese sind – bei sonst gleichen Bedingungen – kürzer. Natürlich nicht bei einen 3-Stunden-Meeting.

5) Stellen Sie gute Fragen! Einige meiner Lieblingsfragen sind: „Nur dass ich mitkomme: Was ist hierbei entscheidend?“ oder „Was ist hierbei Ihr Wunsch an mich?“ oder „Haben Sie alles, was Sie zur Umsetzung benötigen oder fehlt Ihnen noch Input von der Gruppe?“

6) Nutzen Sie die EIL-Systematik! Schreiben Sie vor jeden Agendapunkt eines der folgenden Wörter: Entscheidung, Information oder Lösung. Das sind die typischerweise benötigten Kategorien. Leiten Sie dann ein mit „Zu Thema X haben wir eine Entscheidung zu treffen“ oder „Nun gilt es, für Problem Y eine Lösung zu finden“. Es ist oft erstaunlich, wie sehr die Sichtbarkeit des Ziels und dessen Benennung in der Einleitung die Entscheidungs- bzw. Lösungsorientierung der anwesenden Akteure positiv beeinflussen.

Übrigens können Sie sich mit zunehmender Verantwortung und Aufstieg in der Hierarchie zweier Dinge sicher sein: Die Menge an Informationen wird zunehmen und die Anzahl der Meetings, zu denen Sie eingeladen werden, ebenfalls. Deshalb gehört der wirksame Umgang mit beiden Themen zu den wichtigen Fähigkeiten aller Menschen, die eine größere Verantwortung tragen oder zukünftig tragen werden bzw. möchten.


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